von Wallenstein » 02.09.2015, 10:38
In Argentinien regiert seit 2007 sogar eine halbe Deutsche als Präsidentin, Cristina Elisabet Fernández de Kirchner, mütterlicherseits von Wolgadeutschen abstammend. Von 2003 – 2007 regierte ihr Mann, Nestor Kirchner, sein Vater war Deutschschweizer, die Mutter Chilenin kroatischer Herkunft. Viel taugt die Präsidentin nicht, ihr Land machte gerade letztes Jahr wieder Staatsbankrott, nichts Neues in diesem Land.
Argentinien ist fast rein europäisch, man könnte glauben, man wäre in Norditalien oder Südfrankreich. Die Urbevölkerung wurde im 19. Jahrhundert fast komplett ausgerottet, afrikanische Sklaven wie in Brasilien gab es hier nie. Ein großer Teil der Bevölkerung stammt aus Italien. Es heißt auch: Die Argentinier sind eigentlich Italiener, die aber Spanisch sprechen und von sich selber glauben, sie wären Franzosen. (Das ist eine Anspielung darauf, dass sich die Argentinier allen anderen Nationen in Lateinamerika überlegen fühlen).
Obwohl das Land von Katastrophe zu Katastrophe taumelt, ist in der quirligen Metropole von Buenos Aires davon wenig zu bemerken. Die Krise ist hier der Normalzustand, die Argentinier haben gelernt, damit zu leben. Der Straßenverkehr ist beängstigend, die Straßen voller Menschen, die Werbung allgegenwärtig und aufdringlich, die zahlreichen Restaurants und Geschäfte ständig gut besucht. Das Land ist nicht kaputt zu kriegen, so sagt man, auch wenn sich die Regierungen alle Mühe geben, dafür ist es zu reich an Ressourcen. Jedenfalls gibt es genug zu essen. Rindfleisch ist Grundnahrung, in jeder Kneipe gibt es Steaks von gigantischen Ausmaßen, riesige Lappen, größer als der Teller und sie schmecken unglaublich gut. Dazu eine Schüssel Papas fritas und man hat mehr als genug. Verhungern tut man hier nicht so leicht. Ansonsten gibt es auch überall Pizza satt, bis man nicht mehr kann.
Die Deutschen sind hier praktisch unsichtbar. 1 Million Deutschstämmige soll es geben. Im 19. Jahrhundert wanderten Wolgadeutsche und Deutschschweizer in größeren Gruppen ein und betrieben Landwirtschaft. Ende des 19. Jahrhunderts kamen viele arme Teufel aus Hessen und blieben in Buenos Aires, wo sie sich schnell assimilierten. Nach dem zweiten Weltkrieg flohen mehrere hundert Nazis über die Rattenlinie nach Argentinien, wo sie von dem Diktator Peron wohlwollend aufgenommen wurde, darunter bekannte Größen wie Dr. Mengele und Eichmann.
Und doch stößt man überall auf Deutsche in dem Land, auch wenn man es nicht erwartet. Die Inhaberin der Pension in der ich wohnte, ihr Name klang spanisch, redete mich plötzlich auf Deutsch an. Sie war als Kind nach dem Zweiten Weltkrieg ausgewandert, als Deutschland in Trümmern lag. In einem Lederwarengeschäft sprach das Pärchen, dem der Laden gehörte, plötzlich akzentfrei Deutsch mit mir, Nachkommen jüdischer Flüchtlinge aus Nazideutschland. Und auch der Apotheker an der Ecke, der Gastwirt in einem Restaurant, auch sie entpuppten sich plötzlich als Deutsche. Sie sind aber meist kaum als solche erkennbar und tragen oft spanische Namen. Alfonso kommt von Alphons, Carlos von Karl.
Bis zum Ersten Weltkrieg war Argentinien eines der reichsten Länder der Welt. In dieser Zeit sind die meisten Deutschen eingewandert. Anders aber als etwa in Australien haben mehr von ihnen die deutsche Sprache beibehalten. Erst jetzt geht sie allmählich verloren.
In den zwanziger Jahren ging es mit dem Land langsam bergab, die Preise für Rindfleisch, Leder und Weizen fielen. Während in den britischen Kolonien das Land an viele Siedler relativ gleichmäßig aufgeteilt wurde und dadurch ein breiter Mittelstand entstand, geriet in den spanischen Kolonien das gesamte Land in die Hände einer kleinen Oligarchie. Die beutete es hemmungslos aus, investierte aber nicht. So blieb von dem früheren Reichtum Argentiniens kaum etwas erhalten. Aber trotzdem ist Buenos Aires unglaublich schön, in so manchen Stadtteilen ist die Entwicklung stehen geblieben und strahlt den altmodischen Charme einer vergangenen Zeit aus. Viele Lokale und Geschäfte sind antiquiert und wie lebendige Museen, und der Tango, der noch immer viel getanzt wird, passt gut in diese melancholische Stimmung.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Argentinien noch einmal als Einwandererland für Deutsche aus dem zerstörten Europa attraktiv und das nicht nur für Nazis. Der Diktator Peron drängte den Einfluss der Agraroligarchie zurück und begann mit einer Industrialisierung. Er und seine Frau Evita, die heute noch wie eine Heilige verehrt wird (bekannt durch das Lied: Don’t cry for me Argentina) führten die Revolution der Descamisados an ("Die Hemdlosen", gemeint ist das Heer der Arbeiter und Armen) und vorübergehend besserte sich die Lage. Doch diese Zeit endete in einem Sumpf aus Korruption und 1955 wurde Peron gestürzt.
In den Turbulenzen danach war das Land nicht mehr attraktiv für die Deutschen, abgesehen von solchen Leuten wie Oberst Rudel und seinem Kameradenwerk, welches weiter Nazis half und gute Beziehungen zum argentinischen Militär unterhielt. Diese putschten 1976 und regierten bis 1983. Während dieser Zeit haben sie wahrscheinlich 30.000 Menschen ermordet, unter anderem auch die deutsche Studentin Elisabeth Käsemann. Im Jahre 2011 wurden mehrere Militärangehörige verurteilt, die Bundesregierung war Nebenklägerin in diesem Prozess.
Heute zieht es wohl kaum noch einen Deutschen als Einwanderer in dieses Land, aber es wimmelt von Touristen, junge deutsche Backpacker, die man überall in den vielen Hostels massenhaft antrifft.
In Argentinien regiert seit 2007 sogar eine halbe Deutsche als Präsidentin, Cristina Elisabet Fernández de Kirchner, mütterlicherseits von Wolgadeutschen abstammend. Von 2003 – 2007 regierte ihr Mann, Nestor Kirchner, sein Vater war Deutschschweizer, die Mutter Chilenin kroatischer Herkunft. Viel taugt die Präsidentin nicht, ihr Land machte gerade letztes Jahr wieder Staatsbankrott, nichts Neues in diesem Land.
Argentinien ist fast rein europäisch, man könnte glauben, man wäre in Norditalien oder Südfrankreich. Die Urbevölkerung wurde im 19. Jahrhundert fast komplett ausgerottet, afrikanische Sklaven wie in Brasilien gab es hier nie. Ein großer Teil der Bevölkerung stammt aus Italien. Es heißt auch: Die Argentinier sind eigentlich Italiener, die aber Spanisch sprechen und von sich selber glauben, sie wären Franzosen. (Das ist eine Anspielung darauf, dass sich die Argentinier allen anderen Nationen in Lateinamerika überlegen fühlen).
Obwohl das Land von Katastrophe zu Katastrophe taumelt, ist in der quirligen Metropole von Buenos Aires davon wenig zu bemerken. Die Krise ist hier der Normalzustand, die Argentinier haben gelernt, damit zu leben. Der Straßenverkehr ist beängstigend, die Straßen voller Menschen, die Werbung allgegenwärtig und aufdringlich, die zahlreichen Restaurants und Geschäfte ständig gut besucht. Das Land ist nicht kaputt zu kriegen, so sagt man, auch wenn sich die Regierungen alle Mühe geben, dafür ist es zu reich an Ressourcen. Jedenfalls gibt es genug zu essen. Rindfleisch ist Grundnahrung, in jeder Kneipe gibt es Steaks von gigantischen Ausmaßen, riesige Lappen, größer als der Teller und sie schmecken unglaublich gut. Dazu eine Schüssel Papas fritas und man hat mehr als genug. Verhungern tut man hier nicht so leicht. Ansonsten gibt es auch überall Pizza satt, bis man nicht mehr kann.
Die Deutschen sind hier praktisch unsichtbar. 1 Million Deutschstämmige soll es geben. Im 19. Jahrhundert wanderten Wolgadeutsche und Deutschschweizer in größeren Gruppen ein und betrieben Landwirtschaft. Ende des 19. Jahrhunderts kamen viele arme Teufel aus Hessen und blieben in Buenos Aires, wo sie sich schnell assimilierten. Nach dem zweiten Weltkrieg flohen mehrere hundert Nazis über die Rattenlinie nach Argentinien, wo sie von dem Diktator Peron wohlwollend aufgenommen wurde, darunter bekannte Größen wie Dr. Mengele und Eichmann.
Und doch stößt man überall auf Deutsche in dem Land, auch wenn man es nicht erwartet. Die Inhaberin der Pension in der ich wohnte, ihr Name klang spanisch, redete mich plötzlich auf Deutsch an. Sie war als Kind nach dem Zweiten Weltkrieg ausgewandert, als Deutschland in Trümmern lag. In einem Lederwarengeschäft sprach das Pärchen, dem der Laden gehörte, plötzlich akzentfrei Deutsch mit mir, Nachkommen jüdischer Flüchtlinge aus Nazideutschland. Und auch der Apotheker an der Ecke, der Gastwirt in einem Restaurant, auch sie entpuppten sich plötzlich als Deutsche. Sie sind aber meist kaum als solche erkennbar und tragen oft spanische Namen. Alfonso kommt von Alphons, Carlos von Karl.
Bis zum Ersten Weltkrieg war Argentinien eines der reichsten Länder der Welt. In dieser Zeit sind die meisten Deutschen eingewandert. Anders aber als etwa in Australien haben mehr von ihnen die deutsche Sprache beibehalten. Erst jetzt geht sie allmählich verloren.
In den zwanziger Jahren ging es mit dem Land langsam bergab, die Preise für Rindfleisch, Leder und Weizen fielen. Während in den britischen Kolonien das Land an viele Siedler relativ gleichmäßig aufgeteilt wurde und dadurch ein breiter Mittelstand entstand, geriet in den spanischen Kolonien das gesamte Land in die Hände einer kleinen Oligarchie. Die beutete es hemmungslos aus, investierte aber nicht. So blieb von dem früheren Reichtum Argentiniens kaum etwas erhalten. Aber trotzdem ist Buenos Aires unglaublich schön, in so manchen Stadtteilen ist die Entwicklung stehen geblieben und strahlt den altmodischen Charme einer vergangenen Zeit aus. Viele Lokale und Geschäfte sind antiquiert und wie lebendige Museen, und der Tango, der noch immer viel getanzt wird, passt gut in diese melancholische Stimmung.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Argentinien noch einmal als Einwandererland für Deutsche aus dem zerstörten Europa attraktiv und das nicht nur für Nazis. Der Diktator Peron drängte den Einfluss der Agraroligarchie zurück und begann mit einer Industrialisierung. Er und seine Frau Evita, die heute noch wie eine Heilige verehrt wird (bekannt durch das Lied: Don’t cry for me Argentina) führten die Revolution der Descamisados an ("Die Hemdlosen", gemeint ist das Heer der Arbeiter und Armen) und vorübergehend besserte sich die Lage. Doch diese Zeit endete in einem Sumpf aus Korruption und 1955 wurde Peron gestürzt.
In den Turbulenzen danach war das Land nicht mehr attraktiv für die Deutschen, abgesehen von solchen Leuten wie Oberst Rudel und seinem Kameradenwerk, welches weiter Nazis half und gute Beziehungen zum argentinischen Militär unterhielt. Diese putschten 1976 und regierten bis 1983. Während dieser Zeit haben sie wahrscheinlich 30.000 Menschen ermordet, unter anderem auch die deutsche Studentin Elisabeth Käsemann. Im Jahre 2011 wurden mehrere Militärangehörige verurteilt, die Bundesregierung war Nebenklägerin in diesem Prozess.
Heute zieht es wohl kaum noch einen Deutschen als Einwanderer in dieses Land, aber es wimmelt von Touristen, junge deutsche Backpacker, die man überall in den vielen Hostels massenhaft antrifft.