Dietrich hat geschrieben:
Dass es in Europa eine Vielzahl alteuropäischer Sprachen gab, die vor dem Einbruch indoeuropäischer Sprachträger verbreitet waren, ist eine Tatsache. Einige davon wurden noch in antiker Zeit gesprochen, oft in geografischen Rückzugsgebieten. So z.B. neben der baskischen Sprache Iberisch, Paläo-Sardisch, Ligurisch, Sikanisch (auf Sizilien), Etruskisch, Minoisch, Rätisch oder Tartessisch (SW-Spanien). Daneben wird es noch andere vorindoeuropäische Sprachen gegeben haben, die ohne Schriftzeugnisse bereits während der vorgeschichtlichen Epoche versunken sind.
Also was alt ist, ist relativ. Aus individueller Sicht ist ein Jellingstein schon uralt.
So zahlreich wie du die Vielfalt der Sprachen im vorindogermanischem Alteuropa darstellst, war sie wohl doch nicht, denn von zahlreichen dieser Sprachen ist eine bronzezeitliche Existenz gar nicht belegt. Die Menschen waren vielmehr Teil des Europäischen Handels der Bronzezeit. Wieso sollten sie da eine andere Sprache sprechen? Das wäre eher hinderlich gewesen, zumal sie ja alle Innovationen übernahmen die so nach und nach durch den Handel verbreitet wurden. Dem steht nicht entgegen das sie dies individuell anders weiter entwickelten.
Nehmen wir diese angeblichen Alteuropäischen Sprachen doch mal auseinander:
Etruskisch ist eine Einwanderersprache der Eisenzeit und aus der selben Quelle stammen die Sprecher des Rätischen und die Noriker. Damit sind sie Sprachen, die sich parallel zum Indogermanischen Sprachentwicklung, wobei Etruskisch eine gewisse Kontinuität zum Latein aufweist, was wiederum indogermanisch ist.
Ebenso ist Ligurisch aufgrund seiner Schriftzeugnisse, die ja eindeutig auf Einwanderung hinweisen, nicht vor der Eisenzeit in Europa existent und wird sogar als protokeltisch angesehen, damit weist es ebenfalls eine Kontinuität mit dem Keltischem auf, was auch eine indogermanische Sprache ist.
Das gleiche lässt sich für die Sprache der Sikaner auf Sizilien und für Tartessos, wie auch anderen paleohispanischen Schriftzeugnissen sagen die sicher allesamt auf die indogermanischen Folgesprachen eingewirkt haben und zu neuen Zweigen im Indogermanischem führten.
Keiner dieser Sprachen ist vor 1200 v. Chr. in irgendeiner Form belegbar und angesichts der Vernetzung der europäischen Kulturen ist es wahrscheinlicher das sie bereits zwischen 2500 und 1200 v. Chr. in irgendeiner Form (z.b. durch die Glockenbecher und Schnurkeramiker sowie deren Nachfolgekulturen die ja alle riesige Gebiete durchstreiften) bereits proto-indogermanisiert wurden. Dazu kommen die griechischen und phönizischen Kolonien die ihrerseits auf die Europäer einwirkten.
Das Baskisch keine alteuropäische Sprache sein muss, haben wir bereits hier
http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... =92&t=5435 diskutiert. Es tut mir ja leid wenn dir damit deine vaskonischen Alteuropäer verlustig gehen. Und das deine Lieblingsthese eines vaskonischen Alteuropas unter Linguisten zwar für interessant, aber nicht für realistisch gehalten wird, zeigt sich daran das die Linguisten diese These nicht verfolgen. Insofern denkt Paul da praktischer. Es wäre natürlich verlockend eine quicklebendige eindeutig alteuropäische Sprache zu haben.
Die Minoer sind am Besten als Alteuropäer geeignet und so gesehen gewissermaßen auch als Proto-Indogermanen zu sehen, denn ihre Sprache (Linear A) weist eine starke Kontinuität mit Mykene auf, die wiederum zu einem der Väter des modernen griechisch wurde (Siehe Haarmann-These). Damit sind sie noch an die Anatolische Einwanderung vor 8000 Jahren gebunden, von der auch die Vorväter der viel späteren LBK abstammen, die sicher auch noch an der Erschaffung des Indogermanischem beteiligt waren.
Lediglich den abgelegenen Gebieten (Sardinien, Balearen, Island oder Teilen von Skandinavien) kann man unterstellen, das sie möglicherweise eine eigene Sprache hatten. Die wurde aber spätestens mit den Kolonien der Griechen und Phönizier (bei Sardinien, Balearen, Sizilien, Malta, Korsika) beeinflusst.
Beispiel: Seit 1979 weiss man auch das Mykener auf Sardinien siedelten. Zu diesem mykenischem Handelsnetz gehörte neben Sardinien auch Korsika, Malta und Sizilien. Im 8. Jhd. siedelten nun auch noch Phönizier und Punier. Zum Schluss gab es auch noch Staufer und Habsburger auf der Insel. Die Sprachentwicklung vollzog sich also ähnlich wie in Iberien.
Da Sardinien und Korsika ebenfalls von den Anatolischen Einwanderern erreicht wurde, ist hier eine Vermischung der aus Anatolien eingewanderten Impresso-Cardial-Kultur mit der aus Iberien stammenden Megalithkultur möglich, wobei sie auch noch von Glockenbechern erreicht wurde. Sardinien ist (opimistisch gesehen) groß genug, sodaß sich hier vielleicht im Landesinneren ein kleines Sprachrefugium erhalten konnte. Möglich das diese Sprache länger dem Ansturm von Siedlern stand hielt, aber das wäre ein Glücksfall. Warscheinlicher ist, das sie weniger als der Rest beeinflusst wurde und daher auch ihre speziellen Besonderheiten behielt.
Eine alte Charakteristik von Sprache kann verschiedene Ursachen haben, einerseits ein altes lokales Erbe, andererseits können es auch Zuwanderer eingebracht haben, die ihrerseits eine alte Sprache hatten und dies der lokalen Sprache hinzufügten.
Praktisch jede afrikanische Sprachfamilie ist deutlich älter als die gesamte indogermanische Familie, die linguistisch gesehen erheblich jünger sein muss.
Fazit: Das diese angeblich alteuropäischen Sprachen tatsächlich alteuropäisch waren, ist keinesfalls sicher, es sei denn man verlegt "Alteuropäisch" in die Eisenzeit. Sicher ist nur, das sie sich im Laufe der Eisenzeit dort auftauchten, wo auch Seevölker siedelten, was möglicherweise ihre spezielle Besonderheit ausmacht.
Am wahrscheinlichsten ist eine Erhaltung alteuropäischer Sprache noch im äußersten Norden von Skandinavien, da diese Gegend recht unattraktiv war. Es gibt deutliche Hinweise, das die Ursaami möglicherweise mit den Nordeuropäischen Sammlern und Jägern identisch sind die vor 10.000 Jahren den Norden Europas bewohnten. Diese Sprache könnten sie mitgenommen haben. Zwar wurde den Saami immer eine Herkunft aus Nord-Osteuropa (Karelien, Vespen usw) unterstellt, aber dieser etablierte wissenschaftliche Konsens wackelt gerade. Unser Bild von einem "Ur-Saamen" das einem Jakuten ähnelt, könnte also völlig falsch sein.
Leider wurde das Saami durch ein Umsiedlungsprogramm von nordasiatischen Nenzen und Jakuten durch den russischen Zaren beeinflusst, die sich inzwischen längst auch als Saami fühlen, wozu auch die Ähnlichkeit der Lebensbedingungen beigetragen hat. Von der anderen Seite kommt der schwedische Einfluss, der bereits durch eine Schnurkeramiker-Expansion in Finnland belegt ist. Dazu kommt im 1. Jahrtausend v. Chr. eine Einwanderungswelle aus Estland.
Aber das Saami sind ja mehrere Sprachen, worunter vielleicht noch eine extrem alte Sprachform dieser Alteuropäer versteckt sein könnte. Eine ugrische Beeinflussung oder Beteiligung an der Entstehung des Indogermanischem wird schon seit Langem angenommen und nicht zuletzt deswegen wird Ugrisch, Indogermanisch und Turk in einer Makrofamilie "Eurasiatisch" zusammengefasst. Wissenschaft ist immer nur der aktuelle Stand der Unwissenheit. Dummerweise wächst mit dem Wissen auch die Zahl der Fragen, insbesondere da wo man schon vor Jahrzehnten meinte die richtige Antwort zu kennen.