von Lia » 17.11.2014, 16:15
Hochgeholt und mal überlegt, wie ein Westkind ( und manche in der Umgebung) die DDR und die Folgen des Mazuerfalls erlebt haben.
Womit identifizierten sich die Nachkriegskinder, die im wilden Westen aufwuchsen?
Erhebt absolut keinen Anspruch auf repräsentativ zu sein, ist nur eine Sammlung eigenr Gedanken und mal so ein bisschen Umfrage im Umkreis.
Westkind
Früheste Erinnerungen:
Ich vernahm Ostzone, Kommunismus, Russen, Amis. Krieg war gewesen, oder zwei sogar,
und irgendwie musste das mit der Ostzone zu tun haben.
Ich verstand, dass man selbst nicht viel hatte, aber dennoch Pakete für Tante G. und Onkel A. gepackt wurden. Erst nur Nahrungsmittel, viel später auch Kleidung, denn in meiner Kinderzeit bis in die Jugendjahre musste ich auftragen, was beide Schwestern schon vor mir an Selbstgenähtem getragen hatten.
Wir fuhren mal schnell nach Holland, war ja nicht weit. In die Ferien zunächst nach Dänemark, meine älteren Geschwister fuhren nach England und Frankreich, später nach Spanien, ausländische Gäste waren wieder bei uns daheim, nicht nur Europäer.
Nur die „aus der Ostzone“, die kamen nicht. Und erstmal fuhr niemand hin. Ging ja nicht.
Etwas mehr lernte ich verstehen, an dem Tag, an dem die Mauer gebaut wurde, kurz nach meinem 6.Geburtstag. Ein Regentag in Dänemark, für mich so fest in der Erinnerung wie 9/11 und der 9.11 1989.
Die ernsten Gesichter der Erwachsenen, auch meiner älteren Geschwister, bei allen, ob Deutsche oder Dänen, die Diskussionen, bei denen auch die Vorgeschichte vorkam, wieder der Kommunismus gefürchtet wurde, sind mir in Erinnerung.
Gymnasium, Sexta und noch in den höheren Klassen. Wir sollten an bestimmten Tagen in der Adventzeit käuflich zu erwerbende Kerzen für die Brüder und Schwestern in der Ostzone ins Fenster stellen. Gleichzeitig hörten wir etwas von bösen Kommunisten, die dort herrschten. Verstand ich nicht, einerseits Brüder und Schwestern, andererseits böse Kommunisten?
Von den Lehrern nicht erklärt, warum es Hüben und Drüben gab, woher dieser Widerspruch.
Taten dann meine Eltern, und das sehr sachlich und fair- samt den eigentlichen Ursachen.
Grundsätzlich waren die Menschen „drüben“ natürlich nicht böse, auch nicht alle Kommunisten, so ganz einfach war es sicher nicht, einer Achtjährigen die Dinge differenziert zu erklären.
Weiter wurden Pakete in nun die zunehmend „DDR“ im Sprachgebrauch unserer Eltern geschickt, auch bei ihnen hatte sich verfestigt, dass da durchaus ein anderer Staat existierte.
Man hatte sich damit arrangiert, dass andere bestimmten, was geschah. Die Distanz wuchs, die Betroffenheit wich.
Erste Reise von Lübeck nach Bornholm 1963: Alle Erwachsenen sahen sehr ernst und sehr nachdenklich von Bord der Nordland aufs andere Trave-Ufer- dort war Ostzone, DDR, man wusste glaube ich, nicht so wirklich, ob nun Freund oder Feind. So nah, so live, hatte man die Zonengrenze im Ruhrgebiet nicht vor Augen.
Doch auch da, so meine ich gespürt zu haben, war nach dem Mauerschock schon wieder „Alltag“ eingekehrt, trotz Wissens um Stacheldraht und Minenfelder.
Kamen die Brandt-Jahre. Inzwischen war für die meisten von uns Tatsache, dass die einstigen Ostgebiete, die SBZ, nun Polen und Russland waren. Oder eben DDR. DDR ein (Aus) Land, in dem man Deutsch sprach wie in Österreich, und gut war.
Für die meisten meines Abi-Jahrgangs jedenfalls war die Identifikation „ Deutsche, BRD.“
Deutsche, Deutschland, DDR.
Deutsch als Gesamtdeutschland, wenigstens DDR und BRD war irgendwie wenig bis nicht als Vorstellung vorhanden. Floskel im GG, gut, musste sein, aber...
Inzwischen in der Oberstufe, kannten wir die Ursachen der Teilung, sahen selbstverständlich, dass die Menschen im Ostblock nicht in Freiheit lebten.
Nur, irgendwie waren andere Regionen der Welt wichtiger, Wiedervereinigung war nicht so ganz oben auf der Tagesordnung. Hatten dazu selber noch so einige Freiheitskämpfe durchzustehen, so manches Verkrustete auch und gerade in der Schule aufzuweichen.
Beim ersten Berlin-Besuch sollte ich die andere Form des Grenzübertritts kennenlernen, von meinen Eltern verdonnert, vor der Ankunft in Berlin-West bloß keine Kommentare abzulassen.
Berlin Ost? Man sprach Deutsch. Ansonsten war es eine fremde Welt, fremder als Frankreich und GB, Dänemark, Schweden, Holland.
Deutschland, ja. Das andere Deutschland. Die Zonengrenze/ Mauer ging mir nahe, wie später auf einer Klassenreise allen, und doch blieb der Gedanke, man müsse eins werden hinter dem: „Wenn sie doch reisen könnten, frei leben, in dem anderen Deutschland.“
Ein Vereintes Deutschland hatten wir nicht so auf dem Schirm, kannten wir ja nicht, war unrealistisch. Vaterland war eh ein verpönter Begriff, als so ziemlich die ersten Jahrgänge waren wir im Geschichtsunterricht weiter als bis zu Bismarck gekommen.
Gab vor der Haustür wichtiges, was getan, geklärt werden musste- die Kontakte ins westliche Ausland standen weit oben auf dem Zettel, andre Anliegen noch viel weiter oben.
Vielen Unpolitischen in meiner Generation, überhaupt in den Nachkriegs-Jahrgängen war die DDR ziemlich egal.
Zuhause in ehemals Trizonesien, der Bundesrepublik, Westdeutschland. Wir hatten den langsamen Wandel miterlebt, den aufkommenden Luxus, war z.B bis weit in die70-er Jahre bei uns noch lange nicht selbstverständlich dass in jeder Familie ein Auto vorhanden war, geschweige denn, zwei. Lehrer fuhren noch lange Straßenbahn, bis sie sich einen VW leisten konnten. Wir hatten die Kohle-Krise, die Stahlkrise, andere Krisen erlebt- und wussten ergo, dass wir nicht im Wunderland lebten.
Wir hatten einiges bewirkt, demokratische Rechte in Anspruch genommen, hie und da protestiert, demonstriert, was ja „Unruhestiftung“ war, gab noch zu viele, die meinten, Schnauze halten ist so, wie es ist. Gefahr für Leib und Leben gab es dabei nicht, wohl aber oft genug Nachteile.
Aber immerhin, wir konnten uns, wenn auch kritisch, aber doch, mit dem Teil Deutschlands identifizieren, in dem wir aufgewachsen waren.
Irgendwie wurde die DDR immer mehr zu dem selbstverständlich real existierenden anderen Deutschland.
Und dann der Mauerfall, kam dieWiedervereinigung.
Und auch wir fanden uns in einem Gebilde wieder, das uns fremd war.
Hochgeholt und mal überlegt, wie ein Westkind ( und manche in der Umgebung) die DDR und die Folgen des Mazuerfalls erlebt haben.
Womit identifizierten sich die Nachkriegskinder, die im wilden Westen aufwuchsen?
Erhebt absolut keinen Anspruch auf repräsentativ zu sein, ist nur eine Sammlung eigenr Gedanken und mal so ein bisschen Umfrage im Umkreis.
Westkind
Früheste Erinnerungen:
Ich vernahm Ostzone, Kommunismus, Russen, Amis. Krieg war gewesen, oder zwei sogar,
und irgendwie musste das mit der Ostzone zu tun haben.
Ich verstand, dass man selbst nicht viel hatte, aber dennoch Pakete für Tante G. und Onkel A. gepackt wurden. Erst nur Nahrungsmittel, viel später auch Kleidung, denn in meiner Kinderzeit bis in die Jugendjahre musste ich auftragen, was beide Schwestern schon vor mir an Selbstgenähtem getragen hatten.
Wir fuhren mal schnell nach Holland, war ja nicht weit. In die Ferien zunächst nach Dänemark, meine älteren Geschwister fuhren nach England und Frankreich, später nach Spanien, ausländische Gäste waren wieder bei uns daheim, nicht nur Europäer.
Nur die „aus der Ostzone“, die kamen nicht. Und erstmal fuhr niemand hin. Ging ja nicht.
Etwas mehr lernte ich verstehen, an dem Tag, an dem die Mauer gebaut wurde, kurz nach meinem 6.Geburtstag. Ein Regentag in Dänemark, für mich so fest in der Erinnerung wie 9/11 und der 9.11 1989.
Die ernsten Gesichter der Erwachsenen, auch meiner älteren Geschwister, bei allen, ob Deutsche oder Dänen, die Diskussionen, bei denen auch die Vorgeschichte vorkam, wieder der Kommunismus gefürchtet wurde, sind mir in Erinnerung.
Gymnasium, Sexta und noch in den höheren Klassen. Wir sollten an bestimmten Tagen in der Adventzeit käuflich zu erwerbende Kerzen für die Brüder und Schwestern in der Ostzone ins Fenster stellen. Gleichzeitig hörten wir etwas von bösen Kommunisten, die dort herrschten. Verstand ich nicht, einerseits Brüder und Schwestern, andererseits böse Kommunisten?
Von den Lehrern nicht erklärt, warum es Hüben und Drüben gab, woher dieser Widerspruch.
Taten dann meine Eltern, und das sehr sachlich und fair- samt den eigentlichen Ursachen.
Grundsätzlich waren die Menschen „drüben“ natürlich nicht böse, auch nicht alle Kommunisten, so ganz einfach war es sicher nicht, einer Achtjährigen die Dinge differenziert zu erklären.
Weiter wurden Pakete in nun die zunehmend „DDR“ im Sprachgebrauch unserer Eltern geschickt, auch bei ihnen hatte sich verfestigt, dass da durchaus ein anderer Staat existierte.
Man hatte sich damit arrangiert, dass andere bestimmten, was geschah. Die Distanz wuchs, die Betroffenheit wich.
Erste Reise von Lübeck nach Bornholm 1963: Alle Erwachsenen sahen sehr ernst und sehr nachdenklich von Bord der Nordland aufs andere Trave-Ufer- dort war Ostzone, DDR, man wusste glaube ich, nicht so wirklich, ob nun Freund oder Feind. So nah, so live, hatte man die Zonengrenze im Ruhrgebiet nicht vor Augen.
Doch auch da, so meine ich gespürt zu haben, war nach dem Mauerschock schon wieder „Alltag“ eingekehrt, trotz Wissens um Stacheldraht und Minenfelder.
Kamen die Brandt-Jahre. Inzwischen war für die meisten von uns Tatsache, dass die einstigen Ostgebiete, die SBZ, nun Polen und Russland waren. Oder eben DDR. DDR ein (Aus) Land, in dem man Deutsch sprach wie in Österreich, und gut war.
Für die meisten meines Abi-Jahrgangs jedenfalls war die Identifikation „ Deutsche, BRD.“
Deutsche, Deutschland, DDR.
Deutsch als Gesamtdeutschland, wenigstens DDR und BRD war irgendwie wenig bis nicht als Vorstellung vorhanden. Floskel im GG, gut, musste sein, aber...
Inzwischen in der Oberstufe, kannten wir die Ursachen der Teilung, sahen selbstverständlich, dass die Menschen im Ostblock nicht in Freiheit lebten.
Nur, irgendwie waren andere Regionen der Welt wichtiger, Wiedervereinigung war nicht so ganz oben auf der Tagesordnung. Hatten dazu selber noch so einige Freiheitskämpfe durchzustehen, so manches Verkrustete auch und gerade in der Schule aufzuweichen.
Beim ersten Berlin-Besuch sollte ich die andere Form des Grenzübertritts kennenlernen, von meinen Eltern verdonnert, vor der Ankunft in Berlin-West bloß keine Kommentare abzulassen.
Berlin Ost? Man sprach Deutsch. Ansonsten war es eine fremde Welt, fremder als Frankreich und GB, Dänemark, Schweden, Holland.
Deutschland, ja. Das andere Deutschland. Die Zonengrenze/ Mauer ging mir nahe, wie später auf einer Klassenreise allen, und doch blieb der Gedanke, man müsse eins werden hinter dem: „Wenn sie doch reisen könnten, frei leben, in dem anderen Deutschland.“
Ein Vereintes Deutschland hatten wir nicht so auf dem Schirm, kannten wir ja nicht, war unrealistisch. Vaterland war eh ein verpönter Begriff, als so ziemlich die ersten Jahrgänge waren wir im Geschichtsunterricht weiter als bis zu Bismarck gekommen.
Gab vor der Haustür wichtiges, was getan, geklärt werden musste- die Kontakte ins westliche Ausland standen weit oben auf dem Zettel, andre Anliegen noch viel weiter oben.
Vielen Unpolitischen in meiner Generation, überhaupt in den Nachkriegs-Jahrgängen war die DDR ziemlich egal.
Zuhause in ehemals Trizonesien, der Bundesrepublik, Westdeutschland. Wir hatten den langsamen Wandel miterlebt, den aufkommenden Luxus, war z.B bis weit in die70-er Jahre bei uns noch lange nicht selbstverständlich dass in jeder Familie ein Auto vorhanden war, geschweige denn, zwei. Lehrer fuhren noch lange Straßenbahn, bis sie sich einen VW leisten konnten. Wir hatten die Kohle-Krise, die Stahlkrise, andere Krisen erlebt- und wussten ergo, dass wir nicht im Wunderland lebten.
Wir hatten einiges bewirkt, demokratische Rechte in Anspruch genommen, hie und da protestiert, demonstriert, was ja „Unruhestiftung“ war, gab noch zu viele, die meinten, Schnauze halten ist so, wie es ist. Gefahr für Leib und Leben gab es dabei nicht, wohl aber oft genug Nachteile.
Aber immerhin, wir konnten uns, wenn auch kritisch, aber doch, mit dem Teil Deutschlands identifizieren, in dem wir aufgewachsen waren.
Irgendwie wurde die DDR immer mehr zu dem selbstverständlich real existierenden anderen Deutschland.
Und dann der Mauerfall, kam dieWiedervereinigung.
Und auch wir fanden uns in einem Gebilde wieder, das uns fremd war.