Karlheinz hat geschrieben:Marek1964
Es macht in meinen Augen keinen grossen Sinn, ein Glied einer Kausalkette als den wichtigsten Teil zu bezeichnen. Krieg (damit Ausgaben ohnen Gegenwert) - Anleihenaufnahme - keine Währungsreform - und: keine (ggf. unzureichende) Steuererhöhungen. Anstelle von Anleihen hätte man auch einfach mehr Geld drucken können, schon während des Krieges.
Doch, das macht Sinn, weil es ja der entscheidende Grund war und so steht es auch in den Geschichtsbüchern und so lernen es die Schüler. Was keinen Sinn macht, ist es, andere Erklärungen abzugeben, wo dann jeder Geschichtslehrer sofort sagt: Halt, so war es aber nicht.
Ein Autoritätsargument, das mich wenig beeindruckt, da ich VWL studiert habe. Wir sind ein Forum und keine Mittelschulinstitution. Und über die MIttelschuilbildug bin ich generell kritisch, wobei ich nicht weiss wie es heute ist, das Urteil masse ich mir nicht an, aber beeindrucken tut es mich eben nicht.
Zumal ich mich selbst mich nur zu gut erinnere, welche enorme Mühe, uns die Inflation zu erklären, unser Geschichtslehrer hatte - ein alt Philologe, mitte-rechts Liberaler, wohl belesen, aber ohne Wirtschaftsausbildung, nicht einmal an der MIttelschule. Noch schlimmer war unser linker Deutschlehrer, der alles noch mit unsinnigen linken Theorien garnierte. Aber das war in der Schweiz und vor drei Jahrzehnten.
Aber klar ist, in der Mittelschule muss man Vereinfachugen vornehmen, wobei wenn sie dergestalt sind, werden die Mechanismen der Politik von damals wie von den Zusammenhängen von Geldwirtschaft unzulänglich erklärt. Und das kann man in einem freien Forum auch schon mal sagen.
Mein Artikel zur Einleitung, behaupte ich mal, führt in die Basismechanismen ein. Für Dich vielleicht zu banal, aber geht vom grundlegenden aus.
Karlheinz hat geschrieben:Natürlich hätte man auch schon während des Krieges mehr Geld drucken können und das hat man teilweise ja auch getan. Diese Geldvermehrung geschah derart, dass die Regierung einen Kredit bei der Reichsbank aufnahm, der aber auch irgendwann bezahlt werden muss. Dies war eine Finanzierung, die den Mächtigen damals unseriös erschien, weil unklar war, wie man das Geld später zurückzahlen wollte.
Und wie man dem Mittelstand (nicht auch dem Grossbürgertum und Adel?) das Geld zurückzahlen wollte, darüber machte man sich keine Sorgen? Und woher nahm die Reichsbank das Geld während des Krieges? Auf dem internationalen Kapitalmarkt wohl kaum (ausser Devisen- und Goldverkauf in die Schweiz). Sie musste es ja doch drucken.
Karlheinz hat geschrieben:Die Kriegsanleihen hingegen waren eine Übertragung vom Vermögen des Mittelstandes auf den Staat. Deren Sparguthaben wurden vorübergehend (so war es gedacht) dem Staat geliehen.
Falsch! Übertragung von Vermögen ist entweder Konfiskation oder Schenkung, Erbschaft o.ä. Und Deine beiden Sätze widersprechen sich selbst: Wenn die Sparguthaben nur geliehen waren, war es keine Vermögensübertragung, sondern nur ein Vermögenstausch (Aktivtausch, Investition wie der Buchhalter sagen würde). Geld (oder eben auch "Gold" für Eisen) gegen Wertpapiere.
Es war aber wenn kein Betrug an den Sparern, dann doch ein Aufschieben des Problems nach dem Krieg. In Grossbritannien hatte man eine Vermögenssteuer eingeführt, was viel sozialer war.
Karlheinz hat geschrieben:Dadurch vergrößerte sich die Geldmenge nicht. Die Rückzahlungsprobleme wurden hier erst viel später wirksam und man glaubte zunächst auch, die besiegten Länder haftbar machen zu können.
Richtig - im Krieg. Aber danach? Und was tun, wenn der Krieg verloren ging? Wobei ja nicht alles Geld in Kriegsanleihen angelegt wurde. Einen Geldüberhang gab es auch so.
Karlheinz hat geschrieben:Da dadurch die Geldmenge zunächst nicht übermäßig anwuchs, funktionieren auch die Preiskontrollen, denn sonst entstehen sehr schnell Schwarzmärkte.
Die Geldmenge wuchs schon, weil aber die meisten Güter rationiert waren, und es auch Preiskontrollen gab, hatte es keine Auswirkungen - die Leute konnten es nicht ausgeben. Wahr ist, wäre anstelle von Kriegsanleihen einfach Geld gedruckt worden, hätte es wohl grösseren Schwarzmarkt gegeben.
Aber - wo es Preiskontrollen (und vor allem auch Rationierung) gibt, gibt es immer Schwarzmärkte. Es sei denn man hat den totalen Big Brother Überwachungsstaat, den schafften aber weder die Nazis noch die Kommunisten, auch Orwells 1984 nicht und schon gar nicht das dt. Kaiserreich.
Meist geht der Schwarzmarkt dann eben nicht über Geld, sondern über Tausch. Weil fürs Geld eben nichts zu kaufen gibt, geht es wieder über Tauschhandel.
Karlheinz hat geschrieben:So oder so, auf die einen oder andere Weise hätte man nach dem Krieg die Preiskontrollen aufheben müssen, denn sonst hätte die Marktwirtschat nicht funktioniert.
Richtig.
Karlheinz hat geschrieben:Diese riesige Geldmenge hätte sofort eine Hyperinflation ausgelöst. Das führt aber dazu, dass auch die Steuereinnahmen des Staates wertlos werden und dessen Kosten ins Uferlose steigen.
Hier ist vor allem wichtig zu beachten, die zeitliche Abfolge. Es geht darum, ob ich meine Einnahmen der Inflation anpassen kann. Ein Händler kann das - er hebt den Preis an, notfalls stündlich. Er muss zwar auch seinen Lieferanten mehr zahlen, aber er kann es auf den Endkunden überwälzen. Hier spielt allerdings auch die Rolle, wie die Veträge ausgestaltet sind (in welchen Fristen). Der Lohnempfänger kann das schon viel weniger - je nach Zahltag (ob monatlich oder wöchentlich) und nach Anpassungsmechanismus seines Arbeitsvertrages (Inflationsausgleich dürfte damals aber kaum in der Arbeitsverträgen verankert gewesen sein, aber das weiss ich nicht). Der Rentner, der von seinem Ersparten (wenn es als Geld und nicht z.B. in Aktien angelegt ist) lebt, ist derjenige, der am schlimmsten dran ist. Seine Existenzgrundlage verschwindet, er hat keine Möglichkeit es zu kompensieren, es sei denn er hat Sachwerte, die er verkaufen kann oder er geht arbeiten oder klauen.
Der Staat ist nicht so schlecht dran. Er kann die Steuern vielleicht nicht anheben, aber das hängt davon ab, wie der Steuersatz festgesetzt ist. ist er ein Prozentsatz, muss er nicht so schlimm dran sein. Der Staat hat aber die Notenpresse als weitere Lösung.
Karlheinz hat geschrieben:Dieser bekommt sein wertloses Geld von den Bürgern zurück. Der hat dann sofort wieder neue Schulden und deckt diese dann wieder durch Geldemissionen..
Das Geld ist ja nicht absolut wertlos, es verliert seinen Wert. Wenn er aber (nominal) mehr an Geld bekommt, kann er, wie oben erläutert, einiger Massen seine Einnahmen (real) konstant halten. Hängt davon ab, welche Steuerarten es gibt (ob Mehrwertsteuer, Lohnsteuer, Vermögenssteuer etc.) und in welcher Höhe resp. Prozentsatz. Da nominal die Steuersubjekte höhere Einnahmen hatten, hatte der Staat dann auch wieder höhere Einnahmen.
Karlheinz hat geschrieben:Bei den Kriegsanleihen war dies aber etwas anders. Diese wurden nicht sofort zurückgezahlt, sondern jeweils nach Fälligkeit. Die Geldmenge war also zunächst festgefroren und wurde sukzessive freigesetzt. Auf diese Weise glaubte man daher, die Inflation in Grenzen halten zu können, was aber ja nicht gelang.
Ja, es war nur ein vor sich Herschieben des Problems. Aber in jedem Fall musste man Zinsen zahlen und - in Abhängigkeit der Fälligkeiten - schon Rückzahlungen. Die Details kenne ich nicht, aber die Fälligkeiten waren sicher nicht erst 1923. Die Kriegsanleihen wurden ja fortlaufend ausgegeben.
Karlheinz hat geschrieben:Den Bürgern das überflüssige Geld einfach wegzunehmen, klingt zu schön, um wahr zu sein.
Wie es klingt ist eine Sache - dass es nötig war, ein Sachzwang. Man hat es ja dann auch durch die Inflation gemacht. Aber in der asozialsten und wirtschaftlich schädlichsten aller Arten. Und Steilvorlage für den Schreihals aus Braunau am Inn.
Karlheinz hat geschrieben:Als ob die sich das so ohne weiteres gefallen lassen würden, das wissen wir doch aus heutiger Zeit! Tatsächlich hat sich Erzberger dies mit seiner Steuerreform 1920 auch so vorgestellt. Doch hohe Steuern und eine Politik des knappen Geldes führen zum Absturz der Wirtschaft und daher hat man dies nicht gemacht..
Die Inflation war die viel schlimmere Lösung, aber ich habe auch schon eingeräumt, eine nachträglilche Finanzierug durch massive Steueerhöhung wäre auch keine gute Lösung gewesen, aber wohl besser als Hyperinflation. Das einzig richtige - Währungsreform, was nicht nur Einfrieren oder Annulieren der Guthaben und Staatsanleihen bedeutet, aber mit gewissen Steuern als Lastenausgleich einhergeht.
Karlheinz hat geschrieben:Und eine Einfrierung aller Schulden scheint mir auch völlig unpraktikabel zu sein, die Summe war viel zu gewaltig. 156 Milliarden bei einem Bruttosozialprodukt von nur 50 Milliarden pro Jahr und lächerlichen Staatseinnahmen von 5-6 Milliarden jährlich, die dann auch noch hauptsächlich für Personal und Infrastruktur ausgegeben werden müssen. Die Verschuldung ist mehr als dreimal so hoch wie das Sozialprodukt und heute gilt in der EU eine Verschuldung von 60% des Sozialproduktes als fast unseriös. Die Verschuldung der USA heute ist etwa so groß wie das gesamte Sozialprodukt dieses Landes und das gilt als absolute Obergrenze. Und Weimar hatte nicht nur 156 Milliarden Binnenverschuldung, sondern auch noch 132 Milliarden Reparationen zu zahlen. Kein Finanzminister kann so etwas stemmen.
Sicher, die Schuldenlast war enorm, der Zinssatz für eingefrorene Guthaben hätte also sehr niedrig sein müssen (was ja auch nur ein Rechentrick ist - ich zahle hohen Zinssatz für reduzierte Guthaben oder tiefen Zinssatz für das Ganze), aber mit einer Kombination von Steuererhöhung zumindest den Kriegsanlegern das Gefühl geben, dass es doch etwas gibt. Der Finanzminister kann nicht viel hinzu. Der politische Wille und die Prioritäten der Regierung sind entscheidend. Eine Nachkriegssituation mit einer Situation normaler Wirtschaft zu vergleichen ist ohnehin problematisch.
Karlheinz hat geschrieben:Eine Nichtanerkennung der Binnenschulden wäre sinnvoll gewesen, oder eben eine Inflation. Man entschied sich für den zweiten Weg.
Und damit für die viel schlimmere Variante. Man vergleiche nur nach dem Zweiten Weltkrieg. Deutschland war viel mehr zerstört, musste 14 Mio Flüchtlinge aufnehmen, war auch noch geteilt.
Auch wahr, dazwischen waren fast dreissig Jahre technischer Fortschritt, eine sicher auch vernünftigere Politik der Siegermächte und die totale Niederlage und das Besatzungsregime als sicher bessere Basis für einen Neustart. Und Lehren in Wirtschaftspolitik aus der Inflation von 1923 wie auch WWK 1929.
Man stelle sich nun sein Weltbild zusammen wie man will.