von Stephan » 07.10.2014, 16:00
Karlheinz hat geschrieben:
Lieber Stephan,
wahrscheinlich hast du leider bisher vor allem die negativen Seiten unseres Systems kennen gelernt. Das ist bedauerlich, aber das zeigen auch deine Erfahrungsberichte mit dem Arbeitsamt und dem Jobcenter, die ich mit großem Interesse gelesen habe. Und eine schlechte Meinung über Begriffe wie Output, Innovation und das Bildungssystem höre ich immer vor allem von Leuten, die beruflich bisher wenig Erfolg hatten.
...
Es wäre zu billig, sie als reine Karrieristen zu bezeichnen, sie wollen Erfolg haben. Und sie sind später die Zugpferde, die unser System ziehen. Von hier geht die Dynamik aus und nicht von, pardon, von den Beziehern von Arbeitslosengeld II. Ich hoffe sehr, dass dich deine Situation inzwischen wesentlich gebessert hat. Ich weiß, man kann durch unglückliche Umstände in eine solche Situation geraten, das ist einfach Pech. Vielleicht sehe ich die Dinge zu einseitig, aber ich war und bin immer ein Leistungsfetischist gewesen und habe null Toleranz gegenüber Leuten, die dies anders sehen.
Und das mit der Misswirtschaft seit 1969 ist natürlich Quatsch, denn vorher waren wir in einem Reformstau gefangen, der unbedingt aufgebrochen werden musste. Danach war der Weg frei für eine neue Dynamik und für neue Entwicklungen.
Ich wünsche dir alles Gute. Falls ich dich beleidigt haben sollte, bitte ich um Verzeihung. Und nun viel Erfolg!
Vielen Dank, lieber Karlheinz,
keine Sorge, ich bin nicht so leicht zu erschüttern und habe auch gelernt mich meiner Haut zu wehren. Ich darf Dir auch versichern, dass Deine Sorge um mein materielles Wohlergehen - zumindest b.a.w. - unbegründet ist.
Da Du meine Beiträge gelesen hast, verwundert es mich, dass Dir entgangen ist, dass ich durchaus ein Anhänger des Leistungsprinzips und selbstverantwortlichen Handelns bin bspw.
es gibt keinen Grund warum Frau oder Herr Meier von nebenan dafür eintreten sollten, wenn nicht einmal der Leistungsempfänger für seine eigenen Existenz einzutreten bereit ist.
.
Letzteres war und ist aber nicht nur nach meinen Beobachtungen kein hervorragendes Kennzeichen unseres Bildungssystems und die Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge führten anscheinend noch weniger zur Förderung selbstständigen Handelns:
http://www.computerwoche.de/a/alles-ber ... ,3068839,2.
Aber zurück zur Leistung. Leistung bedeutet letztlich immer noch das Erbringen von
brauchbaren Ergebnissen in einer bestimmten Zeit. Insofern sind Tips wie
Karlheinz hat geschrieben:Das Geheimnis einer erfolgreichen Karriere auf jedem Gebiet ist eine gute Öffentlichkeitsarbeit. Vergesst Resultate, vergesst Fakten! Wahrnehmung ist alles, was zählt.
für jeden, der nicht von Beruf Sohn, Tochter oder Günstling ist, wenig hilfreich, um nicht zu sagen Quatsch. Mit einem Anhänger dieser Doktrin durfte ich kurzzeitig anlässlich der EURO-Umstellung einer zentralen Anwendung einer Bank zusammenarbeiten. Im Grunde genommen war unsere Aufgabenstellung relativ einfach:
- die Bank hatte einzuhaltende Rahmenbedingungen definiert,
- der Endtermin - Einführung des EURO stand ohnehin fest,
- das System war zu analysieren, mit den Fachabteilungen die notwendigen Modifikationen zu definieren und die Konzepte für die Implementierungen zu erarbeiten.
Der Auftritt meines Kollegen war wie aus dem Bilderbuch, vom Maßanzug bis zur vollendeten Rhetorik. Und selbstverständlich ließ er uns alle vom ersten Tag an wissen, dass er bereits mehrere Banken portiert hätte, dass das Team für die Umstellung zu klein sei und wir unbedingt enger mit dem Vorstand zusammen arbeiten müssten. Alles sehr beeindruckend.
Interessant wurde es, als die ersten Arbeitsergebnisse abzuliefern waren. Bei vergleichbarer Komplexität der Teilanwendungen hatte er mehr als 50 Seiten zu Papier gebracht, was mich zunächst an meinen knapp fünf Seiten zweifeln ließ. Nun ja, die Zweifel waren unbegründet, wie sich zeigen sollte. Der Programmierer, der jenes Konzept umsetzen sollte, warf es ihm, bildlich gesprochen, als unbrauchbar vor die Füße. Der Fall eskalierte, der Kunde überprüfte das Konzept und stellte fest, dass die Analyse des Istzustandes zwar richtig - aber da bekannt, nicht gewünscht war (Zeit ist Geld) - und die Vorgaben zur Modifikation, also das Wichtigste, fehlten. Der Kollege verschwand dann innerhalb weniger Tage von der Bildfläche, der Kunde hatte, wie branchenüblich (Informatik), ein tägliches Kündigungsrecht.
Wir haben das Projekt dann frist- und budgetgerecht ohne dieses "Zugpferd" zu Ende geführt, was auf Grund der Kundenzufriedenheit in der Folge zu Anschlussaufträgen führte. Die "Öffentlichkeitsarbeit" meines unglücklichen Kollegen war unterm Strich sehr nachhaltig, er hat noch lange Anlass zu heiterem Gesprächsstoff geboten.
Insofern lieber Karlheinz, ich habe während meines bisherigen Lebens diverse Höhen und Tiefen erlebt, viele tüchtige Kollegen jeden Alters kennengelernt und auch so manchen bei dem mehr Schein als Sein war. Damit hat sich auch eine gewisse Aversion gegen wohlklingende Phrasen entwickelt. Und nimm es mir nicht übel, darunter fallen leider viele Deiner Aussagen in diesem Thread und auch im Thread Disziplin und Kriminalität
http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... 3&start=60. Manchmal sind Zuspitzungen zwecks Verdeutlichung ja angebracht, aber als Dauerzustand letztlich nicht überzeugend.
Ein gutes Beispiel ist Deine Eigencharakterisierung als "Leistungsfetischist". Ironisch war es lt. Kontext wohl nicht gemeint. Dann bleibt nur der "Fetischismus" als triebhafte Ersatzhandlung - also letztlich ein übersteigertes Betonen der Leistung. Das ist mir eine Nummer zu überzogen, und führt mit Sicherheit zu eindimensionaler Betrachtung einer mehrdimensionalen Welt. Anhänger des Leistungsprinzips genügt m. E. vollkommen.
[quote="Karlheinz"]
Lieber Stephan,
wahrscheinlich hast du leider bisher vor allem die negativen Seiten unseres Systems kennen gelernt. Das ist bedauerlich, aber das zeigen auch deine Erfahrungsberichte mit dem Arbeitsamt und dem Jobcenter, die ich mit großem Interesse gelesen habe. Und eine schlechte Meinung über Begriffe wie Output, Innovation und das Bildungssystem höre ich immer vor allem von Leuten, die beruflich bisher wenig Erfolg hatten.
...
Es wäre zu billig, sie als reine Karrieristen zu bezeichnen, sie wollen Erfolg haben. Und sie sind später die Zugpferde, die unser System ziehen. Von hier geht die Dynamik aus und nicht von, pardon, von den Beziehern von Arbeitslosengeld II. Ich hoffe sehr, dass dich deine Situation inzwischen wesentlich gebessert hat. Ich weiß, man kann durch unglückliche Umstände in eine solche Situation geraten, das ist einfach Pech. Vielleicht sehe ich die Dinge zu einseitig, aber ich war und bin immer ein Leistungsfetischist gewesen und habe null Toleranz gegenüber Leuten, die dies anders sehen.
Und das mit der Misswirtschaft seit 1969 ist natürlich Quatsch, denn vorher waren wir in einem Reformstau gefangen, der unbedingt aufgebrochen werden musste. Danach war der Weg frei für eine neue Dynamik und für neue Entwicklungen.
Ich wünsche dir alles Gute. Falls ich dich beleidigt haben sollte, bitte ich um Verzeihung. Und nun viel Erfolg![/quote]
Vielen Dank, lieber Karlheinz,
keine Sorge, ich bin nicht so leicht zu erschüttern und habe auch gelernt mich meiner Haut zu wehren. Ich darf Dir auch versichern, dass Deine Sorge um mein materielles Wohlergehen - zumindest b.a.w. - unbegründet ist.
Da Du meine Beiträge gelesen hast, verwundert es mich, dass Dir entgangen ist, dass ich durchaus ein Anhänger des Leistungsprinzips und selbstverantwortlichen Handelns bin bspw. [quote]es gibt keinen Grund warum Frau oder Herr Meier von nebenan dafür eintreten sollten, wenn nicht einmal der Leistungsempfänger für seine eigenen Existenz einzutreten bereit ist.[/quote].
Letzteres war und ist aber nicht nur nach meinen Beobachtungen kein hervorragendes Kennzeichen unseres Bildungssystems und die Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge führten anscheinend noch weniger zur Förderung selbstständigen Handelns:
[url]http://www.computerwoche.de/a/alles-bereit-fuer-die-generation-y,3068839,2[/url].
Aber zurück zur Leistung. Leistung bedeutet letztlich immer noch das Erbringen von [u][b]brauchbaren Ergebnissen[/b][/u] in einer bestimmten Zeit. Insofern sind Tips wie [quote="Karlheinz"]Das Geheimnis einer erfolgreichen Karriere auf jedem Gebiet ist eine gute Öffentlichkeitsarbeit. Vergesst Resultate, vergesst Fakten! Wahrnehmung ist alles, was zählt.[/quote]
für jeden, der nicht von Beruf Sohn, Tochter oder Günstling ist, wenig hilfreich, um nicht zu sagen Quatsch. Mit einem Anhänger dieser Doktrin durfte ich kurzzeitig anlässlich der EURO-Umstellung einer zentralen Anwendung einer Bank zusammenarbeiten. Im Grunde genommen war unsere Aufgabenstellung relativ einfach:
- die Bank hatte einzuhaltende Rahmenbedingungen definiert,
- der Endtermin - Einführung des EURO stand ohnehin fest,
- das System war zu analysieren, mit den Fachabteilungen die notwendigen Modifikationen zu definieren und die Konzepte für die Implementierungen zu erarbeiten.
Der Auftritt meines Kollegen war wie aus dem Bilderbuch, vom Maßanzug bis zur vollendeten Rhetorik. Und selbstverständlich ließ er uns alle vom ersten Tag an wissen, dass er bereits mehrere Banken portiert hätte, dass das Team für die Umstellung zu klein sei und wir unbedingt enger mit dem Vorstand zusammen arbeiten müssten. Alles sehr beeindruckend.
Interessant wurde es, als die ersten Arbeitsergebnisse abzuliefern waren. Bei vergleichbarer Komplexität der Teilanwendungen hatte er mehr als 50 Seiten zu Papier gebracht, was mich zunächst an meinen knapp fünf Seiten zweifeln ließ. Nun ja, die Zweifel waren unbegründet, wie sich zeigen sollte. Der Programmierer, der jenes Konzept umsetzen sollte, warf es ihm, bildlich gesprochen, als unbrauchbar vor die Füße. Der Fall eskalierte, der Kunde überprüfte das Konzept und stellte fest, dass die Analyse des Istzustandes zwar richtig - aber da bekannt, nicht gewünscht war (Zeit ist Geld) - und die Vorgaben zur Modifikation, also das Wichtigste, fehlten. Der Kollege verschwand dann innerhalb weniger Tage von der Bildfläche, der Kunde hatte, wie branchenüblich (Informatik), ein tägliches Kündigungsrecht.
Wir haben das Projekt dann frist- und budgetgerecht ohne dieses "Zugpferd" zu Ende geführt, was auf Grund der Kundenzufriedenheit in der Folge zu Anschlussaufträgen führte. Die "Öffentlichkeitsarbeit" meines unglücklichen Kollegen war unterm Strich sehr nachhaltig, er hat noch lange Anlass zu heiterem Gesprächsstoff geboten.
Insofern lieber Karlheinz, ich habe während meines bisherigen Lebens diverse Höhen und Tiefen erlebt, viele tüchtige Kollegen jeden Alters kennengelernt und auch so manchen bei dem mehr Schein als Sein war. Damit hat sich auch eine gewisse Aversion gegen wohlklingende Phrasen entwickelt. Und nimm es mir nicht übel, darunter fallen leider viele Deiner Aussagen in diesem Thread und auch im Thread Disziplin und Kriminalität [url]http://geschichte-wissen.de/forum/viewtopic.php?f=8&t=4523&start=60[/url]. Manchmal sind Zuspitzungen zwecks Verdeutlichung ja angebracht, aber als Dauerzustand letztlich nicht überzeugend.
Ein gutes Beispiel ist Deine Eigencharakterisierung als "Leistungsfetischist". Ironisch war es lt. Kontext wohl nicht gemeint. Dann bleibt nur der "Fetischismus" als triebhafte Ersatzhandlung - also letztlich ein übersteigertes Betonen der Leistung. Das ist mir eine Nummer zu überzogen, und führt mit Sicherheit zu eindimensionaler Betrachtung einer mehrdimensionalen Welt. Anhänger des Leistungsprinzips genügt m. E. vollkommen.