von Sebastian Materne » 04.09.2009, 11:21
Ich greife das Thema, obwohl der jüngste Beitrag ja auch schon ein Weilchen zurückliegt, einmal auf, da die Aktualität ja praktisch ungebrochen ist.
Nun, "umfassende" Programme scheitern in aller Regel schon an ihrem eigenen Ansatz. "Umfassend" im Sinne von möglichst großen Ansätzen ist eine Idee, die in Afrika einfach scheitern muss. Was einen ganz simplen Grund hat: Afrika gibt es, wie Ryszard Kapuscinski in seinem wunderbaren Buch "Afrikanisches Fieber" treffend feststellt, allerhöchstens als geographische Größe. Zum Beschreiben politischer, sozialer, wirtschaftlicher oder auch einfach gesellschaftlicher Situationen taugt er wenn überhaupt nur sehr beschränkt. Es ist eine, nach meiner Erfahrung, typisch europäische Einstellung und Auffassung, von "Afrika" zu sprechen, als wäre das ein halbwegs homogener Raum. Doch die Probleme Liberias sind nicht oder nur sehr schwer mit den Problemen Somalias, Namibias oder Libyens zu vergleichen oder gar zu erklären. Wir würden in Europa auch kaum auf die Idee kommen Albanien mit Island oder Deutschland mit Malta zu vergleichen. Dererlei Vergleiche hinken immer - aber sie tun es nach meiner Meinung in Afrika noch stärker als anderswo. Was aber, das gebe ich gerne zu, auch daran liegen mag, dass ich durch jahrelanges Arbeiten über den afrikanischen Kontinent dort einen anderen Blick für bekommen habe. Wenn ich zukünftig immer mal wieder von "Afrika" spreche, dann ist das also immer eine grobe, kaum noch zulässige Vereinfachung der Realität und das eben gesagte ist dabei immer im Hinterkopf zu behalten.
Afrikas Leiden liegen oftmals in zwei zunächst offensichtlichen Dingen begründet: Dem plötzlichen Entlassen aus der Kolonialherrschaft und einem anhaltenden Missmanagement. Der erste Punkt mag zunächst ein wenig absonderlich klingen, da er ja doch einige Jahrzehnte zurückliegt. Doch noch immer ist das ein entscheidender Faktor. Vortrefflich kann man das Ganze an der DR Kongo, der ehemals belgischen Kolonie Belgisch-Kongo, bestaunen. Die Kolonialmacht hat mehr oder minder von heute auf morgen entschieden, das Land zu verlassen und den Kongolesen nur wenige Monate Zeit gegeben sich darauf vorzubereiten. Nicht nur, dass in dieser Zeit natürlich weder eine politische Elite noch eine politische Beamtenschicht entstehen konnte. Man erwartete auch, dass Menschen, die mitunter kaum mehr gemein hatten als ihre Armut und die Unterdrückung durch die Europäer, ein Nationalgefühl entwickelten und sich zuständig fühlten, für die Belange anderer. Ein, zumal wenn man die belgische Kolonialgeschichte berücksichtigt, hoffnungsloses Unterfangen. Der Kongo wurde unvorbereitet in die Unabhängigkeit entlassen und in die Hände zunächst hoffnungslos überforderter und später absolut krimineller Verantwortlicher gelegt. Eine Tendenz, die durch verantwortungsloses Handeln des zumeist westlichen Auslandes (Ermordung von Lumumba, Machtkonsolidierungsunterstützung für Mobutu) nocht verstärkt wurde. Ein zugegebenermaßen extremes Beispiel, dass selbst auf dem afrikanischen Kontinent von herausragender "Qualität" ist. Vieles davon lässt sich aber in mehr oder minder abgeschwächter Form in einer Vielzahl von anderen Ländern finden.
Der zweite Punkt wird in Afrika selbst immer wieder kritisch gesehen, wobei durchaus ein kontinentales Umdenken zu beobachten ist. Immer mehr afrikanische Intellektuelle stellen fest, dass eine ganze Reihe von Problemen mittlerweile hausgemacht sind. Korruption, Missmanagement, Elitenkriminalität, Wahlbetrug. All das sind keine Kavaliersdelikte, wenn eine ganze Reihe afrikanischer Führer das auch gerne so verkauft. Auch diese Dinge haben oftmals ihre Wurzeln in den ebenfalls von Korruption, Unterdrückung und Patronagesystemen lebenden Kolonialreichen. Aber nach der vergangenen Zeit macht es sich nach meiner Meinung zu einfach, wenn man es ausschließlich darauf schiebt. Der ehemalige Diplomat Volker Seitz (u.a. Botschafter in Kamerun a.D.) stellt das in seinem Buch "Afrika wird armregiert" schön heraus. Er stellt zugleich eine These auf, wie man den wirtschaftlichen Problemen begegnen könnte: Das Business der Barmherzigkeit (also die Entwicklungshilfe aus Mitleid) muss gestoppt und den Eliten die Kontrolle über den Geldfluss entzogen werden. Eine provokante These, die gerade in Afrika natürlich nicht nur Freunde findet. Trotzdem ist der Ansatz vielversprechend, wie der Erfolg von Mikrokrediten speziell in Ostafrika gezeigt hat.
Kamerun, wo Seitz zuletzt tätig war, ist ein vortreffliches Beispiel dafür, wie endemische Korruption einen durchaus nicht hoffnungslosen Fall bis auf das niedrigste Niveau herabgewirschaftet hat. Weitere Beispiele lassen sich problemlos finden. Speziell wenn Rohstoffreichtum, wie in Angola oder Äquatorialguinea, dazu kommen, ist dies ein häufig zu beobachtendes Phänomen.
Wenn man in Europa über Afirka spricht, trifft man grundsätzlich zweierlei Typen von Menschen. Afirkooptimisten und Afropessimisten. Während erstere häufig in einer Blase romantischer Safariwelt leben, sehen letztere in jedem kleineren Zwischenfall eine Bestätigung für ihre K-Theorie (Afrika als K-Kontinent, der Kontinent der Katastrophen, Kriege und Kranheiten). Beide Positionen kann man, zumindest in ihrer Reinkultur, getrost vergessen. Es gibt kein Grund die Welt, speziell die afrikanische Welt, in Schwarz und Weiß anzumalen. Ja, es gibt mit Somalia und der DR Kongo zumindest zwei Länder wo selbst die überzeugtesten Optimisten und wohlwollendsten Gönner allmälich verzweifeln und den Mut verlieren. Eines meiner Fachgebiete ist die DR Kongo und auch ich bin schon zwei, dreimal soweit gewesen (etwas ausführlichers zum Kongo gibt es auf meiner Seite:
"Herz der Finsternis" und wen es interessiert verweise ich auch gerne noch auf einen Somaliabeitrag:
"Ein Staat stirbt - und niemanden interssiert es").
Aber es gibt eben auch die anderen Beispiele. Die vortrefflich demokratische Entwicklung in Botswana, Namibia und Mauritius, die durchaus auch wirtschaftlich gesund sind. Auch in Südafrika und Ghana ist die Entwicklung in vielen Bereichen vorbildhast und gibt Anlass für Mut und Courage.
Zweierlei ist nach meiner Meinung zu bedenken: Wer Afrika, ob als Staat, Person oder Institution, helfen will muss sich von ganzheitlichen Ansätzen womöglich komplett verabschieden. Jedes Land hat spezielle Probleme, die eine spezielle Lösung benötigen. Was sonst passieren kann, haben IWF und Weltbank mit ihren gescheiterten Strukturanpassungsprogrammen eindrucksvoll bewiesen. Und mitunter reicht selbst das nicht, mitunter braucht ein und dasselbe Land mehrere verschiedene Lösungsansätze. Und zweitens: Man muss wegkommen von dem Glauben, das der Eurozentrismus in der Theoriengeschichte in der Lage ist, Afrikas Probleme zu lösen. Wer das ernsthaft will, muss Afrikaner aller Coleur und ihre Ideen, Ideologien und Glaubensvorstellungen einbeziehen und nicht auf dem Reisbrett entworfene und möglicherweise in Europa erfolgreich getestete Theorien zur Anwendung bringen. Auch muss man, zumindest als Staat, seinen noblen Worten auch insofern Taten folgen lassen, als dass offensichtliche wirtschaftliche Ungleichberechtigung auf dem Weltmarkt abgebaut jedoch auf keinen Fall auch noch weiter durch Subventionen gefördert wird. Auch von dem Almosen-Prinzip, das Teile der Entwicklungshilfe noch immer prägt, sollte man Abschied nehmen. Den Probleme werden durch solche neu geschaffenen Abhängigkeitsbeziehungen oftmals nicht behoben, sondern verstärkt. Wenn Entwicklungshilfe, dann mit System und einem Ziel Hilfe zur Selbsthilfe zu sein.
Jetzt habe ich schon so viel geschrieben - und es ließe sich noch manches anfügen. Aber ich bin mir recht sicher, dass wir dazu im Laufe der Zeit auch noch kommen.
Ich greife das Thema, obwohl der jüngste Beitrag ja auch schon ein Weilchen zurückliegt, einmal auf, da die Aktualität ja praktisch ungebrochen ist.
Nun, "umfassende" Programme scheitern in aller Regel schon an ihrem eigenen Ansatz. "Umfassend" im Sinne von möglichst großen Ansätzen ist eine Idee, die in Afrika einfach scheitern muss. Was einen ganz simplen Grund hat: Afrika gibt es, wie Ryszard Kapuscinski in seinem wunderbaren Buch "Afrikanisches Fieber" treffend feststellt, allerhöchstens als geographische Größe. Zum Beschreiben politischer, sozialer, wirtschaftlicher oder auch einfach gesellschaftlicher Situationen taugt er wenn überhaupt nur sehr beschränkt. Es ist eine, nach meiner Erfahrung, typisch europäische Einstellung und Auffassung, von "Afrika" zu sprechen, als wäre das ein halbwegs homogener Raum. Doch die Probleme Liberias sind nicht oder nur sehr schwer mit den Problemen Somalias, Namibias oder Libyens zu vergleichen oder gar zu erklären. Wir würden in Europa auch kaum auf die Idee kommen Albanien mit Island oder Deutschland mit Malta zu vergleichen. Dererlei Vergleiche hinken immer - aber sie tun es nach meiner Meinung in Afrika noch stärker als anderswo. Was aber, das gebe ich gerne zu, auch daran liegen mag, dass ich durch jahrelanges Arbeiten über den afrikanischen Kontinent dort einen anderen Blick für bekommen habe. Wenn ich zukünftig immer mal wieder von "Afrika" spreche, dann ist das also immer eine grobe, kaum noch zulässige Vereinfachung der Realität und das eben gesagte ist dabei immer im Hinterkopf zu behalten.
Afrikas Leiden liegen oftmals in zwei zunächst offensichtlichen Dingen begründet: Dem plötzlichen Entlassen aus der Kolonialherrschaft und einem anhaltenden Missmanagement. Der erste Punkt mag zunächst ein wenig absonderlich klingen, da er ja doch einige Jahrzehnte zurückliegt. Doch noch immer ist das ein entscheidender Faktor. Vortrefflich kann man das Ganze an der DR Kongo, der ehemals belgischen Kolonie Belgisch-Kongo, bestaunen. Die Kolonialmacht hat mehr oder minder von heute auf morgen entschieden, das Land zu verlassen und den Kongolesen nur wenige Monate Zeit gegeben sich darauf vorzubereiten. Nicht nur, dass in dieser Zeit natürlich weder eine politische Elite noch eine politische Beamtenschicht entstehen konnte. Man erwartete auch, dass Menschen, die mitunter kaum mehr gemein hatten als ihre Armut und die Unterdrückung durch die Europäer, ein Nationalgefühl entwickelten und sich zuständig fühlten, für die Belange anderer. Ein, zumal wenn man die belgische Kolonialgeschichte berücksichtigt, hoffnungsloses Unterfangen. Der Kongo wurde unvorbereitet in die Unabhängigkeit entlassen und in die Hände zunächst hoffnungslos überforderter und später absolut krimineller Verantwortlicher gelegt. Eine Tendenz, die durch verantwortungsloses Handeln des zumeist westlichen Auslandes (Ermordung von Lumumba, Machtkonsolidierungsunterstützung für Mobutu) nocht verstärkt wurde. Ein zugegebenermaßen extremes Beispiel, dass selbst auf dem afrikanischen Kontinent von herausragender "Qualität" ist. Vieles davon lässt sich aber in mehr oder minder abgeschwächter Form in einer Vielzahl von anderen Ländern finden.
Der zweite Punkt wird in Afrika selbst immer wieder kritisch gesehen, wobei durchaus ein kontinentales Umdenken zu beobachten ist. Immer mehr afrikanische Intellektuelle stellen fest, dass eine ganze Reihe von Problemen mittlerweile hausgemacht sind. Korruption, Missmanagement, Elitenkriminalität, Wahlbetrug. All das sind keine Kavaliersdelikte, wenn eine ganze Reihe afrikanischer Führer das auch gerne so verkauft. Auch diese Dinge haben oftmals ihre Wurzeln in den ebenfalls von Korruption, Unterdrückung und Patronagesystemen lebenden Kolonialreichen. Aber nach der vergangenen Zeit macht es sich nach meiner Meinung zu einfach, wenn man es ausschließlich darauf schiebt. Der ehemalige Diplomat Volker Seitz (u.a. Botschafter in Kamerun a.D.) stellt das in seinem Buch "Afrika wird armregiert" schön heraus. Er stellt zugleich eine These auf, wie man den wirtschaftlichen Problemen begegnen könnte: Das Business der Barmherzigkeit (also die Entwicklungshilfe aus Mitleid) muss gestoppt und den Eliten die Kontrolle über den Geldfluss entzogen werden. Eine provokante These, die gerade in Afrika natürlich nicht nur Freunde findet. Trotzdem ist der Ansatz vielversprechend, wie der Erfolg von Mikrokrediten speziell in Ostafrika gezeigt hat.
Kamerun, wo Seitz zuletzt tätig war, ist ein vortreffliches Beispiel dafür, wie endemische Korruption einen durchaus nicht hoffnungslosen Fall bis auf das niedrigste Niveau herabgewirschaftet hat. Weitere Beispiele lassen sich problemlos finden. Speziell wenn Rohstoffreichtum, wie in Angola oder Äquatorialguinea, dazu kommen, ist dies ein häufig zu beobachtendes Phänomen.
Wenn man in Europa über Afirka spricht, trifft man grundsätzlich zweierlei Typen von Menschen. Afirkooptimisten und Afropessimisten. Während erstere häufig in einer Blase romantischer Safariwelt leben, sehen letztere in jedem kleineren Zwischenfall eine Bestätigung für ihre K-Theorie (Afrika als K-Kontinent, der Kontinent der Katastrophen, Kriege und Kranheiten). Beide Positionen kann man, zumindest in ihrer Reinkultur, getrost vergessen. Es gibt kein Grund die Welt, speziell die afrikanische Welt, in Schwarz und Weiß anzumalen. Ja, es gibt mit Somalia und der DR Kongo zumindest zwei Länder wo selbst die überzeugtesten Optimisten und wohlwollendsten Gönner allmälich verzweifeln und den Mut verlieren. Eines meiner Fachgebiete ist die DR Kongo und auch ich bin schon zwei, dreimal soweit gewesen (etwas ausführlichers zum Kongo gibt es auf meiner Seite: [url=http://changingworld.bplaced.net/?p=240]"Herz der Finsternis"[/url] und wen es interessiert verweise ich auch gerne noch auf einen Somaliabeitrag: [url=http://changingworld.bplaced.net/?p=216]"Ein Staat stirbt - und niemanden interssiert es"[/url]).
Aber es gibt eben auch die anderen Beispiele. Die vortrefflich demokratische Entwicklung in Botswana, Namibia und Mauritius, die durchaus auch wirtschaftlich gesund sind. Auch in Südafrika und Ghana ist die Entwicklung in vielen Bereichen vorbildhast und gibt Anlass für Mut und Courage.
Zweierlei ist nach meiner Meinung zu bedenken: Wer Afrika, ob als Staat, Person oder Institution, helfen will muss sich von ganzheitlichen Ansätzen womöglich komplett verabschieden. Jedes Land hat spezielle Probleme, die eine spezielle Lösung benötigen. Was sonst passieren kann, haben IWF und Weltbank mit ihren gescheiterten Strukturanpassungsprogrammen eindrucksvoll bewiesen. Und mitunter reicht selbst das nicht, mitunter braucht ein und dasselbe Land mehrere verschiedene Lösungsansätze. Und zweitens: Man muss wegkommen von dem Glauben, das der Eurozentrismus in der Theoriengeschichte in der Lage ist, Afrikas Probleme zu lösen. Wer das ernsthaft will, muss Afrikaner aller Coleur und ihre Ideen, Ideologien und Glaubensvorstellungen einbeziehen und nicht auf dem Reisbrett entworfene und möglicherweise in Europa erfolgreich getestete Theorien zur Anwendung bringen. Auch muss man, zumindest als Staat, seinen noblen Worten auch insofern Taten folgen lassen, als dass offensichtliche wirtschaftliche Ungleichberechtigung auf dem Weltmarkt abgebaut jedoch auf keinen Fall auch noch weiter durch Subventionen gefördert wird. Auch von dem Almosen-Prinzip, das Teile der Entwicklungshilfe noch immer prägt, sollte man Abschied nehmen. Den Probleme werden durch solche neu geschaffenen Abhängigkeitsbeziehungen oftmals nicht behoben, sondern verstärkt. Wenn Entwicklungshilfe, dann mit System und einem Ziel Hilfe zur Selbsthilfe zu sein.
:) Jetzt habe ich schon so viel geschrieben - und es ließe sich noch manches anfügen. Aber ich bin mir recht sicher, dass wir dazu im Laufe der Zeit auch noch kommen.