von Marek1964 » 29.05.2014, 18:43
Peppone hat geschrieben:Barbarossa hat geschrieben:Heute vor genau 100 Jahren, am 15. 4. 1912, war der wohl meistverfilmte Untergang eines Pasagierschiffes, der Untergang der Titanic im Atlantik:
Wahrscheinlich deswegen ist der Untergang so bekannt. Es gab nämlich durchaus noch spektakulärere Untergänge, und auch opferreichere.
Beppe
Ich habe mich schon seit meinem 17. Lebensjahr mit dem Mythos Titanic beschäftigt und glaube, dass es wirklich der grösste Verkehrsunfall der Geschichte ist, zumindest der westeuropäischen und nordamerikanischen, und auf jeden Fall damals. Der Untergang der Wilhelm Gustloff ist ja auf Kriegshandlung (sowejtisches U Boot) zurückzuführen.
Der Mythos der Titanic liegt auch darin, dass das Schiff vorher so gefeiert wurde, auch als unsinkbar bezeichnet wurde. Dazu aber ein enormer Leichtsinn der Verantwortlichen bei zuwenig Rettungsbooten (deren Anzahl allerdings den überholten Vorschriften genügte), bei zu schneller Fahrt im Atlantik trotz Eiswarnungen, bei Ausgucken ohne Ferngläser.
Tragisch, weil es irgendein Schiff in der Nähe gab, das auf die Notsignale nicht reagiert hatte. Lange Jahre wurde vermutet es sei die Californian gewesen und der betreffende Kapitän Lord wurde verunglimpft als Feigling. Nach der Entdeckung des Wracks 1985 wurde dann aber klar, dass es nicht die Californian war, weil die Position damals falsch berechnet und somit per Funk weitergegeben wurde. Lord war dann, zeitlebens, zu Unrecht, ein gebrochener Mann. Während der Kapitän und der auch an Bord befindliche Schiffskonstrukteur "pflichtgemäss" mit dem Schiff untergingen, überlebte der Reeder Bruce Ismay, der eigentlich die Verantwortung für die ungenügende Anzahl Rettungsboote trug. Er wurde dann auch zur feigen Negativfigur.
Grossen Stoff für Legenden boten aber auch die vielen prominenten und schwerreichen Fahrgäste, von denen viele umkamen, weil sie den Damen Vortritt in die Rettungsboote liessen. Das wiederum bot Stoff für Heroisierungen. Es führte auch zum Rückschlag der Frauenbewegung in England, habe doch auf der TItanic keiner "votes for women", sondern nur mehr "boats for women" gerufen.Auch der Name der TItanic sorgte dafür, dass das Unglück seine Symbolik bekam. Der Glaube, dass man dank dem Fortschritt über die Natur gesiegt habe, wurde jäh Lügen gestraft.
Die Tatsache, dass aber am meisten Passagiere der dritten Klasse umkamen, darunter auch zahlreiche Frauen und Kinder, bot wiederum bot Stoff für sozialkritische Kommentare.
Dass die Kapelle bis zuletzt spielte, als klar war, dass keiner Aussicht auf Rettung bestand, ist auch legendär geworden, sie soll das Lied "näher mein Gott zu Dir (nearer my God to Thee)" gespielt haben.
Dieses Unglück wurde aber auch von Anfang an medialisiert, es war wohl das erste dass so durch die Medien ging und entsprechend ist es legendär geworden und im Bewusstsein geblieben.
Letzteres vergleiche ich mit dem legendären dritten Tor in Wembley 1966. Es war das erste WM Finale, dass live im Fernsehen in Europa zu sehen war und deshalb die Fernsehbilder immer wieder die umstrittene Szene zeigen konnten, was damals neu war und deshalb immer wieder aufgewärmt wurde. Vier Jahre zuvor gab es im WM Finale in Chile zwischen Brasilien und der Tschechoslowakei eine umstrittene Szene im Strafraum (Handspiel eines Brasilianers), der nicht gegebene Elfmeter hätte den Spielverlauf wohl entscheidend beeinflussen können. Davon redet aber heute, auch hier in Tschechien oder in der Slowakei, fast keiner. Das Spiel war in Europa nicht am Fernseher zu sehen.
Auch später gab es viele umstrittene Entscheidungen, aber es war nichts neues mehr, keine wurde so legendär.
Die Titanic als erste medialisiserte Katastrophe ist mE auch deshalb nie aus dem Bewusstsein verschwunden, als wohl eines der ersten grossen historischen Medienereignisse.
[quote="Peppone"][quote="Barbarossa"][b]Heute vor genau 100 Jahren, am 15. 4. 1912, war der wohl meistverfilmte Untergang eines Pasagierschiffes, der Untergang der Titanic im Atlantik:
:mrgreen:[/quote]
Wahrscheinlich deswegen ist der Untergang so bekannt. Es gab nämlich durchaus noch spektakulärere Untergänge, und auch opferreichere.
Beppe[/quote]
Ich habe mich schon seit meinem 17. Lebensjahr mit dem Mythos Titanic beschäftigt und glaube, dass es wirklich der grösste Verkehrsunfall der Geschichte ist, zumindest der westeuropäischen und nordamerikanischen, und auf jeden Fall damals. Der Untergang der Wilhelm Gustloff ist ja auf Kriegshandlung (sowejtisches U Boot) zurückzuführen.
Der Mythos der Titanic liegt auch darin, dass das Schiff vorher so gefeiert wurde, auch als unsinkbar bezeichnet wurde. Dazu aber ein enormer Leichtsinn der Verantwortlichen bei zuwenig Rettungsbooten (deren Anzahl allerdings den überholten Vorschriften genügte), bei zu schneller Fahrt im Atlantik trotz Eiswarnungen, bei Ausgucken ohne Ferngläser.
Tragisch, weil es irgendein Schiff in der Nähe gab, das auf die Notsignale nicht reagiert hatte. Lange Jahre wurde vermutet es sei die Californian gewesen und der betreffende Kapitän Lord wurde verunglimpft als Feigling. Nach der Entdeckung des Wracks 1985 wurde dann aber klar, dass es nicht die Californian war, weil die Position damals falsch berechnet und somit per Funk weitergegeben wurde. Lord war dann, zeitlebens, zu Unrecht, ein gebrochener Mann. Während der Kapitän und der auch an Bord befindliche Schiffskonstrukteur "pflichtgemäss" mit dem Schiff untergingen, überlebte der Reeder Bruce Ismay, der eigentlich die Verantwortung für die ungenügende Anzahl Rettungsboote trug. Er wurde dann auch zur feigen Negativfigur.
Grossen Stoff für Legenden boten aber auch die vielen prominenten und schwerreichen Fahrgäste, von denen viele umkamen, weil sie den Damen Vortritt in die Rettungsboote liessen. Das wiederum bot Stoff für Heroisierungen. Es führte auch zum Rückschlag der Frauenbewegung in England, habe doch auf der TItanic keiner "votes for women", sondern nur mehr "boats for women" gerufen.Auch der Name der TItanic sorgte dafür, dass das Unglück seine Symbolik bekam. Der Glaube, dass man dank dem Fortschritt über die Natur gesiegt habe, wurde jäh Lügen gestraft.
Die Tatsache, dass aber am meisten Passagiere der dritten Klasse umkamen, darunter auch zahlreiche Frauen und Kinder, bot wiederum bot Stoff für sozialkritische Kommentare.
Dass die Kapelle bis zuletzt spielte, als klar war, dass keiner Aussicht auf Rettung bestand, ist auch legendär geworden, sie soll das Lied "näher mein Gott zu Dir (nearer my God to Thee)" gespielt haben.
Dieses Unglück wurde aber auch von Anfang an medialisiert, es war wohl das erste dass so durch die Medien ging und entsprechend ist es legendär geworden und im Bewusstsein geblieben.
Letzteres vergleiche ich mit dem legendären dritten Tor in Wembley 1966. Es war das erste WM Finale, dass live im Fernsehen in Europa zu sehen war und deshalb die Fernsehbilder immer wieder die umstrittene Szene zeigen konnten, was damals neu war und deshalb immer wieder aufgewärmt wurde. Vier Jahre zuvor gab es im WM Finale in Chile zwischen Brasilien und der Tschechoslowakei eine umstrittene Szene im Strafraum (Handspiel eines Brasilianers), der nicht gegebene Elfmeter hätte den Spielverlauf wohl entscheidend beeinflussen können. Davon redet aber heute, auch hier in Tschechien oder in der Slowakei, fast keiner. Das Spiel war in Europa nicht am Fernseher zu sehen.
Auch später gab es viele umstrittene Entscheidungen, aber es war nichts neues mehr, keine wurde so legendär.
Die Titanic als erste medialisiserte Katastrophe ist mE auch deshalb nie aus dem Bewusstsein verschwunden, als wohl eines der ersten grossen historischen Medienereignisse.