von ehemaliger Autor K. » 09.01.2013, 14:01
Simple Minds, Belfast Child oder die Rückkehr der Steinewerfer
Anfang der siebziger Jahre beging ich einmal den Fehler, nach einem Sprachurlaub in Irland auch kurz die von Unruhen erschütterte Nordprovinz aufzusuchen und fuhr nach Belfast. Dort hatten gerade heftige Auseinandersetzungen zwischen protestantischen und katholischen Milizen stattgefunden. Die Stadt sah aus wie im Krieg, überall Reste von Barrikaden, herausgerissene Pflastersteine, die als Wurfgeschosse gedient hatten, alle Fenster zertrümmert. Britische Soldaten patrouillierten nervös in den Straßen und winkten mich von einem militärischen Checkpoint zu dem nächsten durch. In Belfast musst du immer in Bewegung sein, hatte man mir eingeschärft, niemals stehen bleiben, immer weiter gehen, sonst bist du ein ideales Ziel für Heckenschützen. Ich hielt das zwar für maßlos übertrieben, aber wer konnte sich schon sicher sein. Die Heckenschützen, es gab tatsächlich welche, waren nicht sehr wählerisch in der Wahl ihrer Opfer, es war ihnen egal, wen sie trafen, es ging lediglich darum Angst, Schrecken und Unruhe zu verbreiten.
In den heruntergekommenen Seitenstraßen machte ich eine seltsame Erfahrung. Die Leute wussten natürlich nicht, wer ich war und hielten mich deshalb automatisch zunächst für einen Feind. Man sagt häufig: Wenn Blicke töten könnten. Hier hatte ich das Gefühl, sie können es. Der Hass dieser Menschen war geradezu körperlich zu spüren, er brannte förmlich auf meiner Haut, ich hatte so etwas noch nie erlebt, es war erschreckend. Und einmal passierte es dann: Ein Junge, vielleicht zehn oder zwölf Jahre alt, kam mir entgegen mit einem vor Wut verzerrten Gesicht. In seiner Hand hielt er einen Stein und warf ihn nach mir. Ich konnte mich rechtzeitig ducken und weglaufen. Die Kinder lernten hier früh, wie man mit Steinen wirft. Nur mit der Treffsicherheit mangelte es glücklicherweise. Der Junge mit dem Stein, ein Belfast Child.
Ich fragte mich später öfters, was wohl aus diesem Jungen geworden ist. Hoffentlich ein ganz normaler Familienvater, der seinen Kindern nicht beibringt, wie man mit Steinen auf Soldaten zielt, sondern vernünftige Dinge lehrt. Der Krieg ist vorbei. Die Zeit der Steinewerfer auch.
Ich reiste schnell wieder aus Belfast ab, glücklicherweise. Denn kurz darauf kam es zu neuen Unruhen. Zwar hatten die Konfliktparteien eine Art Waffenstillstand ausgehandelt, aber es gab genügend Leute, die wollten keinen Frieden und provozierten neue Auseinandersetzungen. Sie drehten weiter an der verhängnisvollen Spirale der Gewalt, sie wollten, dass es weiter geht, immer weiter, dass es nie aufhört, dass dieser Krieg ewig dauert.
Anscheinend gibt es Leute, die zurück in die vermeintlich bessere Vergangenheit wollen. Wollen wir hoffen, dass dieser Alptraum nicht wieder beginnt.
Die Gruppe
Simple Minds hat mit dem Song
Belfast Child ein eindrucksvolles, musikalisches Andenken an diesen Konflikt geschaffen.
http://vimeo.com/3245370
[b]Simple Minds, Belfast Child oder die Rückkehr der Steinewerfer[/b]
Anfang der siebziger Jahre beging ich einmal den Fehler, nach einem Sprachurlaub in Irland auch kurz die von Unruhen erschütterte Nordprovinz aufzusuchen und fuhr nach Belfast. Dort hatten gerade heftige Auseinandersetzungen zwischen protestantischen und katholischen Milizen stattgefunden. Die Stadt sah aus wie im Krieg, überall Reste von Barrikaden, herausgerissene Pflastersteine, die als Wurfgeschosse gedient hatten, alle Fenster zertrümmert. Britische Soldaten patrouillierten nervös in den Straßen und winkten mich von einem militärischen Checkpoint zu dem nächsten durch. In Belfast musst du immer in Bewegung sein, hatte man mir eingeschärft, niemals stehen bleiben, immer weiter gehen, sonst bist du ein ideales Ziel für Heckenschützen. Ich hielt das zwar für maßlos übertrieben, aber wer konnte sich schon sicher sein. Die Heckenschützen, es gab tatsächlich welche, waren nicht sehr wählerisch in der Wahl ihrer Opfer, es war ihnen egal, wen sie trafen, es ging lediglich darum Angst, Schrecken und Unruhe zu verbreiten.
In den heruntergekommenen Seitenstraßen machte ich eine seltsame Erfahrung. Die Leute wussten natürlich nicht, wer ich war und hielten mich deshalb automatisch zunächst für einen Feind. Man sagt häufig: Wenn Blicke töten könnten. Hier hatte ich das Gefühl, sie können es. Der Hass dieser Menschen war geradezu körperlich zu spüren, er brannte förmlich auf meiner Haut, ich hatte so etwas noch nie erlebt, es war erschreckend. Und einmal passierte es dann: Ein Junge, vielleicht zehn oder zwölf Jahre alt, kam mir entgegen mit einem vor Wut verzerrten Gesicht. In seiner Hand hielt er einen Stein und warf ihn nach mir. Ich konnte mich rechtzeitig ducken und weglaufen. Die Kinder lernten hier früh, wie man mit Steinen wirft. Nur mit der Treffsicherheit mangelte es glücklicherweise. Der Junge mit dem Stein, ein Belfast Child.
Ich fragte mich später öfters, was wohl aus diesem Jungen geworden ist. Hoffentlich ein ganz normaler Familienvater, der seinen Kindern nicht beibringt, wie man mit Steinen auf Soldaten zielt, sondern vernünftige Dinge lehrt. Der Krieg ist vorbei. Die Zeit der Steinewerfer auch.
Ich reiste schnell wieder aus Belfast ab, glücklicherweise. Denn kurz darauf kam es zu neuen Unruhen. Zwar hatten die Konfliktparteien eine Art Waffenstillstand ausgehandelt, aber es gab genügend Leute, die wollten keinen Frieden und provozierten neue Auseinandersetzungen. Sie drehten weiter an der verhängnisvollen Spirale der Gewalt, sie wollten, dass es weiter geht, immer weiter, dass es nie aufhört, dass dieser Krieg ewig dauert.
Anscheinend gibt es Leute, die zurück in die vermeintlich bessere Vergangenheit wollen. Wollen wir hoffen, dass dieser Alptraum nicht wieder beginnt.
Die Gruppe [b]Simple Minds [/b]hat mit dem Song [b]Belfast Child[/b] ein eindrucksvolles, musikalisches Andenken an diesen Konflikt geschaffen.
http://vimeo.com/3245370